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Ausschlagung einer Erbschaft in Polen bei minderjährigen Kindern – worauf müssen Sie achten?

Ausschlagung einer Erbschaft in Polen bei minderjährigen Kindern – worauf müssen Sie achten?

Erbschaft in Polen

Haben Sie minderjährige Kinder, die als Erben berufen sind oder denen die Erbschaft durch Ihre Ausschlagung anfällt, können Sie als gesetzlicher Vertreter auch für diese die Erbschaft ausschlagen. Dies geht sowohl in Deutschland als auch in Polen. Bitte beachten Sie aber, dass in einem solchen Fall es sehr wichtig ist, die Zuständigkeit des Gerichts sowie das anwendbare Recht vorab zu klären, insbesondere in deutsch-polnischen Erbrechtsfällen. Es ist ratsam hier schon von Anfang an einen Rechtsanwalt in Polen zu beauftragen, um notwendige Fristen abzuklären. Hier ohne polnischen Anwalt – bei laufender Ausschlagungsfrist zu handeln – ist grob fahrlässig.


Welches Recht findet Anwendung?

Die Frage nach dem anwendbaren Recht ist leider nicht so einfach zu beantworten. War der Erblasser Pole mit Aufenthalt in Polen wird – sofern es keine andere wirksame notarielle Regelung gibt – auf den Erbfall materielles polnisches Recht Anwendung finden. Dies gilt dann in der Regel auch für die Ausschlagung, auch diese hat nach polnischem Recht zu erfolgen. Für die Frage der Genehmigung der Ausschlagung gilt dies wohl aber nicht (so jedenfalls deutsche Gerichte – OLG Hamm Beschluss vom 4.5.2020 – 13 WF 66/20). Dies ist aber nicht so einfach; für die Ausschlagung und die Frage der Genehmigung könnte auch deutsches Recht Anwendung finden. Dazu unten mehr.


Was wäre denn für die Frage der Ausschlagung eines Minderjährigen der Unterschied zwischen dem deutschen und polnischen Recht?

Es gibt diverse Unterschiede zwischen dem deutschen und polnischen Erbrecht.

Grundsätzlich ist nach dem deutschen Recht die Ausschlagung einer Erbschaft für das Kind durch dessen Eltern genehmigungsbedürftig (§ 1643 Abs. 2 S. 1 BGB). Das Gesetz sieht eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht dann vor, wenn der Anfall an das Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils, das das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt, eintritt und dieser nicht neben dem Kind berufen war (§ 1643 Abs. 2 S. 2 BGB).

Im Fall der Erbausschlagung von Minderjährigen durch ihren gesetzlichen Vertreter ist nach dem polnischen Recht vorab eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich (Art. 101 § 3 des Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches der Republik Polen).

Eine Versagung der Genehmigung in der Annahme und Hoffnung, die polnischen Gerichte und Behörden von der materiellen Anwendbarkeit deutschen Rechts zu überzeugen und deren Rechtspraxis zu ändern, vermag den Schutz des Vermögens des Kindes nicht hinreichend zu gewährleisten.


Was ist die Lösung?

Das Oberlandesgericht Hamm OLG Hamm (Beschluss vom 4.5.2020 – 13 WF 66/20) hat das Problem erkannt und formuliert:

Das hier anwendbare polnische Erbstatut (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO) bestimmt nicht über die Frage, ob für die Ausschlagung eine Genehmigung erforderlich ist; vielmehr entscheidet darüber das Statut der elterlichen Sorge (OLG Koblenz v. 19.3.2018 – 9 WF 607/17, FamRZ 2019, 367 = FamRB 2019, 106; EuGH v. 19.4.2018 – C-565/16, FamRZ 2018, 1015 = NJW 2018, 1741).

Die Kollisionsnormen für die Ermittlung des auf das Statut der elterlichen Sorge anwendbaren Rechts sind auch dann dem Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) v. 19.10.1996 zu entnehmen, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus der Brüssel IIa-VO ergibt, die die Zuständigkeitsnormen des KSÜ verdrängt, ihrerseits aber keine Kollisionsnormen enthält (OLG Hamm v. 2.2.2011 – 8 UF 98/10, FamRZ 2012, 143 = IPRspr 2011, Nr. 249, 636). Das KSÜ gilt sowohl in Deutschland als auch in Polen.

Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an; es gilt demnach die lex fori. Dies führt im vorliegenden Fall zur Anwendung des deutschen Rechts. Somit könnte das deutsche Familiengericht keine Genehmigung erteilen, da eine solche nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Allerdings verlangen polnische Gerichte (möglicherweise in Verkennung der Rechtslage, dass die Frage der Genehmigung der
FamRB 2020, 399 Ausschlagung nicht dem polnischen Recht, sondern dem deutschen Aufenthaltsrecht folgt) in der Regel eine gerichtliche Genehmigung der Ausschlagung.

Die Eltern eines in Deutschland lebenden minderjährigen Erben stehen nunmehr vor dem Dilemma, dass das deutsche Familiengericht die Erteilung einer Genehmigung unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 1 KSÜ, § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB ablehnen muss, die polnischen Nachlassgerichte aber oftmals irrtümlich von einer unwirksamen (da ohne gerichtliche Genehmigung erklärten) Ausschlagung ausgehen. Hier half bereits das OLG Koblenz in einem vergleichbaren Fall gestützt auf Art. 15 Abs. 2 KSÜ den Eltern und entschied, dass deutsche Familiengerichte eine Genehmigung der Ausschlagung erteilen können (OLG Koblenz v. 19.3.2018 – 9 WF 607/17, FamRZ 2019, 367 = FamRB 2019, 106).

Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates anwenden oder berücksichtigen, zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat, soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens des Kindes erfordert.

Kurz: Die polnischen Gerichte wenden auch in Bezug auf die Frage der Genehmigung der Ausschlagung polnisches Recht an und bestehen auf die familiengerichtliche Genehmigung aus Deutschland.

 

Update März 2024:

Schauen Sie sich dazu auch den letzten Beitrag in Bezug auf die Gesetzesänderung in Polen an.


Zusammenfassung

Sobald Sie als gesetzlicher Vertreter das Erbe in Polen (für sich selbst)  ausgeschlagen haben, sollten Sie vor dem zuständigen deutschen Gericht eine o.g. Genehmigung für die Ausschlagung des Kindes beantragen; am besten unter Verweis auf die obige Entscheidung des OLG Hamm. Erst mit der Genehmigung können Sie in Namen der Kinder das Erbe in Polen ausschlagen.

Informieren Sie sich aber zuvor über die laufenden Frist bei einem polnischen Anwalt!

Bitte beachten Sie, dass wir die Fälle vor dem deutschen Gericht nicht führen!


 

Rechtsanwalt Andreas Martin

 

 

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