Erbschaftsausschlagung in Polen für minderjährige Kinder
Ab dem 15. November 2023 ist die Ausschlagung einer Erbschaft in Polen bei minderjährigen Kindern einfacher geworden. Der polnische Gesetzgeber hat beschlossen, den Bedürfnissen der Eltern entgegenzukommen, die eine Erbschaft im Namen eines Minderjährigen ausschlagen wollen. Infolge der Änderung von Artikel 101 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches ist es nicht mehr erforderlich, eine Genehmigung des Gerichts einzuholen, um eine Erbschaft im Namen eines Minderjährigen auszuschlagen, sofern streng definierte Voraussetzungen erfüllt sind.
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Genehmigung des polnischen Gerichts erforderlich?
Gemäß Artikel 101 § 4 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches ist ab dem 15. November 2023 die Genehmigung des Gerichts nicht erforderlich, wenn:
- ein Minderjähriger infolge einer früheren Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Elternteil Erbe geworden ist,
- die Erbschaft im Namen eines Minderjährigen von einem Elternteil mit Zustimmung des anderen oder von Eltern, die gemeinsam die elterliche Gewalt ausüben, ausgeschlagen wird,
- sowie bei Ausschlagung der Erbschaft durch andere Abkömmlinge der Eltern des Kindes (z. B. die Geschwister des Kindes).
fehlenden Zustimmung der Eltern
Liegt keine Zustimmung der Eltern vor oder sind die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, muss eine gerichtliche Genehmigung eingeholt und eine entsprechende Erklärung vor einem Notar oder Gericht abgegeben werden.
zeitlicher Anwendungsbereich der Regelung
Für Erbschaften, die vor dem 15. November 2023 eröffnet wurden und für die die Frist zur Abgabe einer Erklärung über die Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft noch nicht abgelaufen ist, gilt das neue Gesetz.
ungeklärte rechtliche Probleme
In der Praxis wirft die neue Bestimmung eine Reihe von Zweifeln auf, insbesondere bei den Notaren.
Es ist unklar, wie die Zustimmung des anderen Elternteils zur Ausschlagung einer Erbschaft im Namen eines Minderjährigen zu definieren ist – reicht es aus, in einer notariellen Urkunde zu vermerken, dass eine solche Zustimmung erteilt wurde, oder muss diese Zustimmung schriftlich erteilt werden.
Viele Notare weigern sich aus diesen Gründen, eine notarielle Urkunde zu errichten. In einem solchen Fall kann die Weigerung, eine notarielle Urkunde zu errichten, auf der Grundlage von Artikel 82 des polnischen Notargesetzes angefochten werden. Aufgrund der Notwendigkeit, die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft einzuhalten, erscheint eine solche Beschwerde jedoch sinnlos.
gesetzliche Regelung des Art. 101 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches
Art. 101.
§ 1. Die Eltern sind verpflichtet, das Vermögen des Kindes, das unter ihrer elterlichen Sorge steht, mit erforderlicher Sorgfalt zu verwalten.
§ 2. Die von den Eltern ausgeübte Verwaltung umfasst weder den Verdienst des Kindes noch die ihm zur freien Verfügung überlassenen Gegenstände.
§ 3. Die Eltern können nicht ohne eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder, in den in Art. 6401des Gesetzes vom 17. November 1964 genannten Fällen – Zivilprozessordnung (GBl. Dz. U. von 2023 Pos. 1550, 1429, 1606, 1615, 1667 und 1860), des Nachlassgerichts Tätigkeiten verrichten, die den Bereich einer gewöhnlichen Verwaltung überschreiten oder Einwilligung in die Durchführung solcher Tätigkeiten durch das Kind erteilen.
§ 4. Wenn das Kind infolge einer vorangehenden Erbschaftsausschlagung durch den Elternteil zum Erben berufen wurde, erfordert die Tätigkeit der Erbschaftsausschlagung im Namen des Kindes durch den Elternteil, dem in diesem Bereich die elterliche Sorge zusteht, wenn sie mit Einwilligung des zweiten Elternteils stattfindet, dem in diesem Bereich auch die Elternsorge zusteht, oder wenn sie gemeinsam vorgenommen wird, keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, oder, in den Fällen aus Art. 6401 des Gesetzes vom 17. November 1964 – Zivilprozessordnung, des Nachlassgerichts – wenn das Erbe von anderen Verwandten der Eltern dieses Kindes in absteigender Linie (Deszendenten) ausgeschlagen wird. Bei fehlender Einigung der Eltern findet die Bestimmung aus § 3 Anwendung.
In Deutschland gibt es keine polnischen Notare!
Erstaunlicherweise glauben viele deutsche und auch polnische Mandanten, dass es in Deutschland polnische Notare gibt. Diese Fehlvorstellung hält sich seit Jahren hartnäckig. Wahrscheinlich auch deshalb, da es ja auch polnische Anwälte in Deutschland gibt, welche hier tätig sind. Dies ist aber etwas anderes. Ein polnischer Notar übernimmt hoheitliche Aufgaben für den polnischen Staat. Dies ist ein erheblicher Unterschied zum Anwalt, der zwar auch Organ der Rechtspflege ist, aber nicht der verlängerte Arm des Staates.
Beratung und ggs. Vertretung durch einen Rechtsanwalt in Polen ist sinnvoll
Die obigen rechtlichen Probleme in Polen über entsprechende Vollmachten beim deutsche Notar abzuwickeln ist schwierig und sehr aufwendig und kostet natürlich auch Zeit. Von Deutschland aus ist dies ohne anwaltliche Hilfe in Polen kaum möglich.
Zumindest ist hier anwaltliche Beratung dringend erforderlich.
Kontakt und Rechtsberatung zur Kanzlei in Stettin
anwaltliche Beratung und Vertretung bei rechtlichen Problemen in Polen
Für weitere Informationen zum obigen Thema können Sie uns gern kontaktieren.
Rechtsanwalt Martin ist seit dem Jahr 2005 in Stettin (Polen) als erster ausländischer Rechtsanwalt zugelassen (Nummer 0001 in der Anwaltslisten der Anwaltskammer Stettin). In der Kanzlei in Stettin arbeitet Anwalt Martin zusammen mit 3 polnischen Rechtsanwälten (Adwokaci).
Wir beraten Sie gern zum polnischen Recht sowohl in deutscher als auch in polnischer Sprache.
Kanzlei in Stettin
Anwalt Andreas Martin
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