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Wie kann man ab 1. Mai 2011 polnische Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen?

Ab 1. Mai 2011 besteht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitnehmer aus Polen. Dies heißt, dass polnische Arbeitnehmer ab diesem Tag in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis tätig werden können. Vorher war es ja schon möglich als Unternehmer (Einzelfirma/ GmbH) in Deutschland tätig zu werden, wobei – ehrlich gesagt – schon ein Großteil der „Selbstständigen“ damals schon faktisch Arbeitnehmer waren und man durchaus von sog. „Scheinselbstständigkeit“ sprechen kann.

Was müssen nun deutsche Arbeitgeber – die Polen beschäftigen wollen – beachten?

1. Arbeitsvertrag

Der Arbeitsvertrag muss grundsätzlich nicht auf Polnisch vorliegen. Es macht aber Sinn den Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer zur Übersetzung mitzugeben und dann sich bestätigen zu lassen, dass er den Vertrag verstanden hat und selbst hat übersetzen lassen. Wenn die Arbeitsleistung überwiegend in Deutschland zu erbringen ist, gilt deutsches Recht. Siehe den Artikel „Muss man mit polnischen Arbeitnehmer die Arbeitsverträge auf Polnisch schließen?“ Häufig kommen polnische Arbeitnehmer in Arbeitsrechtsfällen zu mir und meist ist der erste Vorwurf, den man den deutschen Arbeitgeber macht, dass man etwas unterschrieben hat (Arbeitsvertrag), aber nicht wusste was dort stand. Dies hilft dem Arbeitnehmer im Normalfall nicht weiter; es kann aber nicht schaden, wenn der Arbeitgeber – bei häufiger Verwendung – sich den Arbeitsvertrag ins polnische übersetzen lässt. Wenn man dies macht, muss die Übersetzung aber richtig sein!

Zu beachten ist, dass Abmahnungen aber sicherheitshalber übersetzt werden sollten, da Voraussetzung für diese auch sind, dass der Arbeitnehmer diese versteht!

Der Arbeitgeber ist – dies gilt auch für die Beschäftigung von deutschen Arbeitnehmern – nach dem Nachweisgesetz (§ 2 Abs. 1 NachwG) verpflichtet die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dann – unterschrieben – dem Arbeitnehmer auszuhändigen.

§ 2 Abs. 1 Nachweisgesetz regelt nämlich:

(1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

1.der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,

2.der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,

3.bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,

4.der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,

5.eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,

6.die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,

7.die vereinbarte Arbeitszeit,

8.die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,

9.die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,

10.ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

In der Praxis geschieht dies nicht immer, was zu dazu führen kann, dass der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf seine Arbeitskraft hat, einen Anspruch auf die Erfüllung des Nachweisgesetzes hat und auch Schadenersatzansprüche gegenüber dem Arbeitgeber haben kann, wenn er (der Arbeitnehmer) z.B. Ansprüche, die aufgrund von Ausschlussfristen verfallen sind, nicht mehr geltend machen kann.

2. Abmahnungen

Abmahnungen sollten – bei sprachunkundigen Arbeitnehmern – auf jeden Fall auch auf Polnisch erfolgen. Dies gilt auch für weitreichende Erklärungen, wie Ausgleichsquittungen etc.. Dies ist deshalb notwendig, da eine wirksame Abmahnung dem Arbeitnehmer nochmals sein vertragswidriges Verhalten vor Augen führen soll. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer auch versteht, was er falsch gemacht hat (Hinweisfunktion der Abmahnung) und dass er im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen hat (Warnfunktion der Abmahnung).

3. Lohnzahlungen

In Bezug auf Zahlungen von Arbeitslohn macht es Sinn, wenn der polnische Arbeitnehmer keine Barzahlungen erhält, sondern ganz normal über ein deutsches Konto (welches notfalls anzulegen ist) die Lohnzahlung abgewickelt wird. Zahlungen ins Ausland dauern lange und können später auch nicht mehr nachvollzogen werden, da eine Kommunikation mit der polnischen Bank schwierig ist. Barzahlen sind später problematisch, da Nachweise meist über die Zahlung nicht immer einfach sind. Auch drängt sich dann für deutsche Behörden der Verdacht auf, dass nicht der Arbeitslohn in voller Höhe „versteuert“ (Stichwort: Sozialversicherungsabgaben)  werden sollte. Auch kann es sein, dass der polnische Arbeitnehmer ganz schnell „vergisst“, dass er eine Zahlung in bar erhalten hat. Der Arbeitgeber muss diese ja nachweisen, nicht der Arbeitnehmer!

4.  Mindestlohn ab 1.1.2015

In Deutschlang gibt es nun ab dem 1.1.2015 – wie auch in Polen – einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser ist im Mindestlohngesetz geregelt und beträgt derzeit 8,50 Euro brutto pro Zeitstunde. Bei der Frage, für wen der Mindestlohn zu zahlen ist, spielt die Nationalität der Arbeitnehmer keine Rolle. Von daher muss der deutsche Arbeitgeber auch seinen polnischen Arbeitnehmern wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Selbstverständlich suchen – seit der Einführung des Mindestlohnes – viele Arbeitgeber nach „Vermeidungsstrategien „, um den Mindestlohn nicht zu zahlen. Dies ist aber gefährlich und funktioniert meistens nicht.

4 a Tariflöhne

In Deutschland gibt es – unabhängig vom gesetzlichen Mindestlohn –  branchenabhängig allgemeinverbindliche Tarifverträge, die zu beachten sind und meistens einen Mindestlohn enthalten, der auch für die polnischen Arbeitnehmer gilt. Solche Branchen sind z.B. das Bauhauptgewerbe, das Dachdeckergewerbe, die Gebäudereinigung, Abfallwirtschaft und jetzt auch die Leiharbeit. Diese Lohn muss an den polnischen Arbeitnehmer mindestens gezahlt werden. Zur Umgehung von Mindestlohnzahlungen wird häufig versucht den polnischen Arbeitnehmer als Selbstständigen im Rahmen von Werkverträgen zu beschäftigen. Hierbei wird häufig übersehen, dass es nicht auf das „Papier“ (also den Vertrag), sondern darauf ankommt, wie das Rechtsverhältnis tatsächlich ausgestaltet wird.

5. sittenwidriger Lohn

Auch über den Tariflohn und den  Mindestlohn kann ein Lohn sittenwidrig sein. Hier ist wichtig, dass das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat, dass eine Lohnvereinbarung sittenwidrig ist, wenn diese nur um 1/3 (oder mehr unter dem ortsüblichen und branchenüblichen Arbeitslohn liegt. Ist die Vereinbarung sittenwidrig, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung des orts- und branchenüblichen Lohnes. Dies wird aber nur bei sehr hochqualifizierten Arbeitnehmern der Fall sein.

6. polnische Mentalität

Die Unterschiede zwischen der deutschen und polnischen Mentalität werden oft unterschätzt. Man meint landläufig (auch in Polen), dass es keine Mentalitätsunterschiede gibt, was nicht richtig ist. Im Arbeitsrecht zeigt sich dies, vor allem, wenn es Probleme zwischen AN und AG gibt.  Hier wird dann sehr emotional auf Seiten des polnischen Arbeitnehmers argumentiert. Gerade bei Vergleich, die ja häufig vor den Arbeitsgerichten geschlossen werden, zeigen sich polnische Arbeitnehmer meistens kompromisslos; dies deshalb, da sich diese sehr von ihren Emotionen leiten lassen und nicht vorstellen können, mit dem Arbeitgeber einen Vergleich zu schließen.

7. Unterschiede zum deutschen Recht

Das polnische Arbeitsrecht ist nicht mit dem deutschen identisch.

Insbesondere gibt es häufig zu folgenden Problemen häufig Fragen von polnischen Arbeitnehmern (Erfahrungen aus meiner Kanzlei in Stettin/ Berlin):

  • Kündigung während Krankheit (in Polen unzulässig)
  • Kündigung während des Urlaubs (in Polen unzulässig)
  • Arbeitsunfälle (hier gibt es in Polen – Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber – in DE aber fast nie)
  • Übersendung von Krankenschein (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Frage nach deutscher oder polnischer AU)
  • Krankschreibung in Polen (ist dort weitaus einfacher möglich – „wenn man höflich beim Arzt nachfragt“/ Anerkennung in DE)
  • Geltendmachung von Überstunden (ist in Polen einfacher möglich)
  • Urlaubsabgeltung und Urlaubsgewährung (in Polen anders geregelt)
  • unentschuldigtes Fehlen (kommt häufiger vor – später wird gesagt, man hat Urlaub genommen)
  • Abfindung (hier vermuten polnische Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung bei Kündigung)
  • Ausschlussfristen (sind in Polen im Arbeitsrecht unbekannt – diese werden häufig von polnischen Arbeitnehmern versäumt, auch schon wegen des sorglosen Umgangs mit Dokumenten)

 

Der Beitrag wird fortgesetzt:

Anwalt Martin – Rechtsanwalt in Stettin/Polen

 

Arbeitserlaubnis fuer polnische Arbeitnehmer in Deutschland?

Aktualisierung:

Polnische Arbeitnehmer können mittlerweile (ab 1. Mai 2011) ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland als Arbeitnehmer tätig werden.  Nach § 2 Abs. 1 Nr.1, 2. Alt FreizügigG/EU dürfen polnische Staatsbürger zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten und arbeiten.  Ein weiterer Aufenthaltstitel oder eine Arbeitsgenehmigung ist nicht erforderlich.

Achtung: Für polnische Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, gilt auch das deutsche Arbeitsrecht und damit auch sämtliche tarifvertragliche oder gesetzliche Mindestlöhne.

Die Umgehung dieser Vorschriften (Mindestlohn) über Scheinarbeitsverhältnisse ist rechtlich nicht unproblematisch und kann zu erheblichen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen/ Strafen führen.

 

Nachfolgend finden Sie die Rechtslage vor dem 1. Mai 2011

Arbeitserlaubnis für polnische Arbeitnehmer in Deutschland?

Fakt ist, dass viele polnische Arbeiter seit Jahren in Deutschland arbeiten. Wie ist dies möglich?   Vor allem auf dem Bau, in der Pflege und auf Werften. Brauchen diese eine Arbeitserlaubnis oder nicht? All dies ist häufig unklar. Im Internet „schwirren“ die unterschiedlichsten Rechtsauffassungen dazu herum.

Grundsatz: Arbeitserlaubnis für polnische Arbeitnehmer in Deutschland

Grundsätzlich müssen polnische Arbeitnehmer aufgrund der 2+3+2 Regelung eine Arbeitserlaubnis, wenn diese eine Arbeit in Deutschland als Arbeitnehmer aufnehmen wollen. Die 2+3+2 Regelung besagt, dass Polen für einen Übergangszeitraum von maximal 7 Jahren ab dem Beitritt Polens zur EU eine Arbeit in Deutschland nur aufnehmen können, wenn sie eine Arbeitserlaubnis hierfür haben. Diese Regelung betrifft ausdrücklich die Tätigkeit als Arbeitnehmer. Deutschland hat von dieser Regelung Gebrauch gemacht und damit bis zum 30. April 2011 festgeschrieben, dass polnische Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, eine Arbeitserlaubnis brauchen.

Ab dem 1. Mai 2011 ist dann die Arbeit für Arbeitnehmer aus Polen in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis möglich. – Sehen Sie hierzu auch meinen Beitrag „Wie kann am ab dem 1. Mai 2011 in Deutschland polnische Arbeitnehmer beschäftigen.“ Es wird davon ausgegangen, dass dann viele Arbeitnehmer, die jetzt in England oder in anderen EU-Ländern arbeiten, dann in Deutschland auf den Arbeitsmarkt kommen werden. Allerdings plant der Bundesregierung nun die Einführung von Mindestlöhnen – vor allem in der Zeitarbeiterbranche. Dies wird sicherlich den Zustrom dämpfen, denn gerade in der Zeitarbeit/ Arbeitnehmerüberlassung standen schon viele deutsche und polnische „Überlassungsfirmen“ in den Startlöchern.

Scheinselbstständigkeit/ Selbstständigkeit

Eine häufig in der Praxis genutzte Möglichkeit ist die Gründung einer Firma in Deutschland. Die Tätigkeit als Arbeitnehmer ist nur mit einer Arbeitserlaubnis für Polen in Deutschland gestatttet. Dies gilt aber nicht für die reine Selbstständigkeit. Der Selbstständige ist kein Arbeitnehmer! Er muss aber auch tatsächlich selbstständig sein und nicht nur zum Schein!

Aber auch hier gibt es vieles zu beachten (Übergangsfristen für Baubranche, Reinigungsbranche und Innenarchitekten).

Auf die richtige Vertragsgestaltung kommt es an!

Fakt ist auch, dass viele der „Selbstständigen“ eigentlich „Scheinselbständige“ sind und von daher doch eine Arbeitserlaubnis bräuchten.

Auf folgende Kriterien wird dabei häufig geachtet:

  • organisatorische Eingliederung in einen Betrieb
  • persönliche Abhängigkeit
  • überwiegende Tätigkeit für einen Auftraggeber
  • Arbeit mit Werkzeug/Betriebsmittel des Auftraggebers
  • kein Entscheidungsspielraum
  • keine Abnahme und umgrenzter Aufgabenbereich (im Bau)
  • kein selbstständiges Auftreten gegenüber Dritten

Durch eine richtige Vertragsgestaltung und Organisation ist es möglich, dass polnische Bürger hier in Deutschland als Selbstständige arbeiten. Aus meiner Erfahrung als deutsch-polnischer Anwalt in der Praxis muss sich sagen, dass aber wenigstens in 80 % der Fälle keine richtige Selbstständigkeit vorliegt und auch hier bereits schon die einfachsten Grundlagen nicht beachtet wurden. Es drohen hier empfindliche Strafen!

Zur einer Rechtsberatung kann man als nur raten, wenn man auf der sicheren Seite sein möchte!

Anwalt Polen – Rechtsanwalt Polen – A. Martin