In Polen vor dem polnischen Gerichten selbst auftreten oder sich über den deutschen Anwalt vertreten lassen?

Auch vor dem polnischen Gerichten gibt es einen so genannten Anwaltszwang, allerdings nicht vor jedem Gericht. Dort, wo kein Anwaltszwang herrscht, und ein deutscher Bürger oder eine deutsche Firma beteiligt ist, ist die Versuchung groß, dass man sich selbst vertritt oder einen deutschen Anwalt beauftragt, die man kennt und vertraut. Schließlich könnte man ja theoretisch die Schreiben ins polnische übersetzen lassen oder manche Mandanten meinen sogar, dass das polnische Gericht die Schreiben selbst übersetzen müsste. So könnte man – vermeintlich- viel Geld sparen und geht einfach zum Anwalt „um die Ecke“, mit dem man vor Ort die Sache besprechen kann und muss nicht mit einem polnischen Anwalt, der vielleicht nicht perfekt Deutsch spricht, die Sache über eine weite Entfernung erörtern oder gar eine weite Reise in Kauf nehmen, um den Fall in Polen zu besprechen.

 

Dabei wird aber übersehen, dass sich das polnische Zivilprozessrecht und auch das materielle Recht erheblich vom deutschen Recht unterscheiden. Selbst wenn es vor dem Gericht nicht zwingend notwendig sein sollte, einem polnischen Anwalt zu nehmen, ein Zustellungsbevollmächtigter im Inland (also in Polen), ist aber der Regel dennoch erforderlich, hat eine eigene Vertretung meist keine Aussicht auf Erfolg und eine Vertretung über den deutschen Rechtsanwalt ist meistens gefährlich, da dieser meist entweder das polnische Recht und schon gar nicht das polnische Zivilprozessrecht kennt. Dies wäre so, als würde man einem polnischen Kollegen, der die deutsche Sprache nicht kann und das deutsche Recht nicht kennt als Prozessbevollmächtigten für einen Fall in Deutschland wählen. Dies würde Deutschland wahrscheinlich auch niemand tun.

 

Die vorstehenden allgemeinen Erwägungen möchte ich aber noch wie folgt kurz durch konkrete Unterschiede zwischen dem Deutschen polnischen Zivilprozessrecht ergänzen.

 

In Deutschland ist es zum Beispiel normal und üblich und auch zulässig, dass man eine Frist, die das Gericht gesetzt hat durch einen Schriftsatz, die man vorab an das Gericht per Fax schickt war. Dies gilt selbst dann, wenn der Schriftsatz erst kurz vor 24:00 Uhr am letzten Tag des Ablaufes der Frist bei Gericht eingeht. Nach dem polnischen Zivilprozessrecht ist dies nicht zulässig. Ein Fax an das Gericht wahrt die Frist nicht. In Polen ist es üblich, dass man entsprechende fristwahrende Schreiben per Post an das Gericht schickt und der Poststempel Auskunft darüber gibt, ob die Frist gewahrt ist oder nicht. Man bringt also das Schriftstück zur Post und lässt sich das absenden der Post, zum Beispiel am letzten Tag der Frist, beim Postamt bestätigen. Dies geht auch noch dann, wenn der Schreiben vor 24:00 Uhr zur Post aufgegeben wird. Aber säße man dies weiß, ist man immer noch nicht davor geschützt, entsprechende Fristen Polen zu wahren. Man muss auch wissen, dass dies allein in der Regel zur Wahrung der Frist noch nicht einmal ausreichen. In Polen muss man nämlich auch das fristwahrende Schriftstück nicht nur dem Gericht rechtzeitig zustellen, sondern auch der Gegenseite. Was bei uns in Deutschland Zustellung im Parteibetrieb genannt wird, dass man also direkt an den Kollegen der Gegenseite Einschreiben zustellt, das ist in Polen der Normalfall im Zivilprozess. In Polen muss also das fristwahrende Schreiben nicht nur rechtzeitig dem Gericht zugestellt werden, sondern auch dem Kollegen der Gegenseite. Wer dies nicht weiß, hat den Fall eigentlich schon „verloren“. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass man nicht ohne weiteres, wenn man zum Beispiel als deutscher Anwalt das deutsche Zivilprozessrecht kennt, darauf vertrauen kann, dass das polnische Zivilprozessrecht ähnlich ist. Wer hier Fehler macht, kann alleine deshalb den Prozess verlieren.

RA A. Martin

Von daher ist es für eine professionelle Prozessvertretung in Polen vor Gericht erforderlich, dass man einen dort ansässigen bzw. zugelassenen Kollegen beauftragt.

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